In meiner Zeit hier in Tschechien konnte ich seit langer Zeit erstmals wieder einen etwas ungetrübteren Blick auf Blogs werfen. Ich blogge gerade nicht und genieße diese Zeit, auch wenn ich schreibe und weiß, dass die meisten dieser Artikel wohl auch im Blog erscheinen werden. Aber ich lese nicht täglich 99 Blogs, da ich keinen Onlinefeedreader habe und mit meinem Laptop nicht ins Netz komme. Somit beschränke ich meine halbe Stunde Onlinezeit auf das wichtigste und da haben die wenigsten Blogs meines Readers eine Chance. Denke ich werde wohl mal ausmisten, wenn ich wieder daheim bin. Aber darum geht es nur bedingt.

Blogs können einfach nicht mithalten, wenn ich mich schnell und gut informieren möchte, was in der Welt passiert. Ich lese hier keine Zeitung und möchte dennoch über das Wichtigste Bescheid wissen. Wenn ich aber meine Blogs abklappere, dann weiß ich höchstens, dass Schäuble wohl keinen Meinungsumschwung vollzogen hat, dass die Welt schlecht und die Gesellschaft ungerecht ist, Facebookclone wohl mal wieder den Bock abgeschossen haben und irgendwas ganz und gar ungerechtes mit der Bahn abgeht, nix genaues weiß man.

Blogs sind immer noch, trotz „Professionalisierung“ und Themenblogbildung, auf das Internet bezogen. Das ist nicht schlecht, versteht mich nicht falsch. Aber informiert wird man nicht. Dazu muss ich Spiegel online, Zeit Online, FAZ Online usw. aufsuchen. Vielleicht lese ich die falschen Blogs, oder aber noch ist kein Blogger so „Professionalisiert“, dass er sich den News-Flash von dpa leisten kann. Jedenfalls schaue ich nur bei einigen wenigen Blogs vorbei. Weil ich weiß, dort Meinungen zu finden, zu Themen, die mich interessieren. Weil diese Meinungen mir auf den aufgezählten Onlinemedien nicht offeriert werden.

Man könnte jetzt Fehleranalyse betreiben und schauen, warum Blogs nicht wirklich informativ sind, warum Medien die Meinung scheuen oder warum nicht endlich gute Mischformen entstehen, egal ob „Professionalisiert“ oder mit Liebe gemacht, solche Seiten wären eine Bereicherung, aber sie sind doch wohl eher Utopien eines Philosophiestudenten.

Ich denke, dass die Bereicherung, die meinungstarke Blogs darstellen, ein riesen Schritt ist, auch wenn er nicht so groß erscheint und in den Geschichtsbüchern vielleicht nichteinmal Erwähnung finden wird. Meinungen sind wichtig, selbst falsche Meinungen sind es. Diskurs ist wichtig und ohne Meinungen kein Diskurs. Aber Diskurs auf Stammtischniveau hat es immer schon gegeben, Blogs könnten ein Schritt aus der kleinen Eckneipe sein, in der Horst alle überzeugen kann, weil er bessere Beispiele hat. Ich sage „könnten“ weil ich mir so sicher nicht bin. Zu schlecht ist noch die Qualität der Blogs, meiner mit eingeschlossen, die Meinungen haben und verbreiten, vor allem zu unausgewogen. Das alleine wäre kein Problem, denn viele Blogs mit dem Fokus aufs Weltgeschehen würden die Unausgewogenheit extrem vermindern. Aber auch wenn beim politischen Blogkarneval viele Blogs mitgemacht haben, mehr als ich erwartet hätte, so sind es doch noch viel zu wenig um von einer politischen Gegenberichtserstattung zu sprechen und ihnen somit einen Wert zu zumessen.

Ich weiß, dass ich hier den Fehler begehe, nur großem Bedeutung beizumessen, und den Tropfen zu vergessen, der das Fass füllt, aber seien wir mal ehrlich, so eingenommen wir von unseren Meinungen wir auch sind, so unrecht werden wir in den meisten Fällen haben. Schickt Schäuble die Verfassung ist so ein Beispiel. Man kann die Aktion lustig finden, aber einem promoviertem Juristen, der sein Leben lang nichts anderes gemacht hat, als sich mit dem Grundgesetz zu beschäftigen, wird kein Blogger etwas beibringen können. Wir überschätzen uns, auch wenn wir vielleicht die „richtige“ Meinung zu diesem Thema haben, was auch immer das heißen mag.

Versteht mich nicht falsch, ich halte es für überaus wichtig, dass Meinungen gebloggt und gelesen werden, nur sollten wir den Blick auf die Realität nicht verlieren. Blogger lesen Blogger, ein paar Freunde und Verwandte auch, aber nur weil wir dreistellige Besucherzahlen haben, heißt das nicht, dass wir Recht haben, alle anderen Blöd sind, oder wir sogar besser als die Medien. Intellektuelle Bescheidenheit ist die intelligente Version von der alten Bauernweisheit „Der Klügere gibt nach“ und würde uns allen gut zu Gesicht stehen, nicht aus Makulatur, sondern als Anspruch.

Wem dieses Wir in diesem Artikel nicht passt, der kann es übrigens gerne durch meine Person ersetzen, dadurch geht keinerlei Substanz verloren und es fühlt sich vielleicht der ein oder andere nicht angepinkelt, sondern angespornt.

Kommentare

„Der Klügere gibt nach“ ist kein guter Vergleich. Wäre dem so, wären viele Blogger, mich eingeschlossen, absolut dämlich, weil sie immer wieder kritisieren und auf Missstände aufmerksam machen und im Gegenzug wären die ganzen Leute, die zu allem schweigen und keine Meinung haben, die Klügeren. Ob das der Realität entspricht wage ich einmal anzuzweifeln.

Nein, so meine ich das auch nicht. Der Klügere gibt nach impliziert, dass die Dummen regieren. Dennoch halte ich diesen Anspruch, den viele politische Blogs pflegen für ungerechtfertigt, egal wie viel Müll die „andere“ Seite produziert. Und nicht nur für ungerechtfertigt, sondern für unmöglich zu rechtfertigen.

Ich denke klassische Medien und Blogs stehen nicht in Konkurenz, sondern ergänzen sich.
Für nachrichten und schnelle Informationen ist das Blog Format meiner Meinung nach einfach ungeeignet.
Hier klappert man die oben von dir genannten Seiten ab.
Was ich aber gerade an Blogs liebe, dass ich dort andere Sachen finde: Kommentare, Meinungen, Geschichten, ….
Gerade deswegen lese ich sie ja.
Eine spon kopie als blog hätte dagegen keine Chance bei mir.

Zum Thema Bedeutung bzw politisches Gegengewicht:
Ich denke das du das ganze doch ein bisschen unterschätzt. Gerade junge Menschen lesen viel Blogs.
Als ich noch zur Schule ging, kam es doch vor das im PoWi (Politik und Wirtschaft) Grundkurs jemand auf Blogs wie Spiegelfechter Bezug genommen hat.
Und ist das nicht schon ein Gegengewicht? Wenn es von (zumindest vom internetaffinen Teil) der Bevölkerung wahrgenommen wird und in Diskussionen einfließt?

„Versteht mich nicht falsch, ich halte es für überaus wichtig, dass Meinungen gebloggt und gelesen werden, nur sollten wir den Blick auf die Realität nicht verlieren. Blogger lesen Blogger, ein paar Freunde und Verwandte auch, aber nur weil wir dreistellige Besucherzahlen haben, heißt das nicht, dass wir Recht haben, alle anderen Blöd sind, oder wir sogar besser als die Medien.“

Korrekt.

Allerdings sind manche Blogs, in puncto News, gute Katalysatoren. Die Anreicherung mit Wissen kann zum Vorteil gereichen. Darüber hinaus muß man sich jedoch nicht für besser halten, nur weil man auf die eklatanten Mängel der Holzverarbeiter hinweist. Dieser Alleinvertretungsanspruch der Medien gereicht in der Praxis, selbst oder gerade bei hochnoblen Blättern wie der FAZ oft zu ungeahnten Stilblüten. Dieser wird man sich vielleicht nicht bewußt, weil einem der nötige Einblick in die Materie fehlt, hat man diesen jedoch, tun sich auch Abgründe auf. Diese Abgründe wiederum lassen Rückschlüsse auf den Rest zu.
Das Internet in seiner Gesamtheit kann mehr bieten, Blogs hingegen können sehr gut katalysieren und auf jeden Fall das Feuilleton der Blätter gut ersetzen. Der strategische Vorteil ist wie gesagt nur reuters, dpa oder der Journalist vor Ort. Aber selbst letzteres wird oft genug mittels Internet streitig gemacht. Denkt man vielleicht noch an Unabhängigkeit, Überparteilichkeit, Objektivität allgemein – sitzt man ohnehin einem Trugschluß auf. Bei Blogs ist es nicht anders, aber dort behauptet es in der Regel auch keiner. Wohlgemerkt bei Blogs denke ich an die Majorität, nicht an die marktschreienden Platzhirsche der Zunft.

Bei mir schaut das so aus, das ich viel ausländisches Materiel frequentiere, viele Fachblätter, Ticker von dpa und reuters, sowie die Schlagzeilen der Holzverarbeitung. Aber die Newsschleuder möchte ich auch gar nicht mimen, im Prinzip ist es also auch eine Art Tagebuch, man kann bei mir lesen, was mich u.a. so tagtäglich interessiert.

Wie viele Leute würden wohl die Artikel von Spiegel Online lesen, wenn jeder Autor sie auf seiner eigenen Website veröffentlichen würde – irgendwo im Internet, ohne Verlinkung untereinander, ohne Übersichtsseite, ohne Absprachen? Wie viele Werbeeinnahmen hätten diese Mini-Newsseiten mit ihren zwei, drei Artikeln pro Woche? Aber das machen die Autoren nicht. Sie arbeiten alle an einem einzigen, großen Projekt.

Und jetzt vergleiche das einmal mit Weblogs.

Ich will das gar nicht bewerten. Es ist vollkommen in Ordnung, dass jeder Blogger lieber sein eigenes, kleines Ding macht. Das ist ja auch gerade der Spaß an der Sache. Ich wundere mich nur, warum man sich dann immer darüber wundert, dass deshalb Blogs nie die Reichweite und den Einfluss einer großen Newsseite erreichen können. Sie werden ihn nicht bekommen, wenn sie sich nicht organisieren, Hierarchien zulassen und ein Stück persönliche Blog-Freiheit aufgeben.

Entweder – oder. Entscheiden kann das jeder für sich.

Ich sehe die Rolle von Weblogs aber generell eher darin, genau die Themen, Sichtweise und Meinungen aufzugreife und zu transportieren, die in den großen Medien keine Rolle spielen.

>Ich wundere mich nur, warum man sich dann immer darüber wundert, dass deshalb Blogs nie die Reichweite und den Einfluss einer großen Newsseite erreichen können.

Weil die wirklich großen Blogs von denen jeder spricht, oft wiederum auch nur von Pressevertretern gestellt wird und dort das Netzwerk auch ohne Verlinkung etc. vorhanden ist.

>Sie werden ihn nicht bekommen, wenn sie sich nicht organisieren, Hierarchien zulassen und ein Stück persönliche Blog-Freiheit aufgeben.

Wenn man bedenkt das vielleicht 500.000 oder gar 1 Mio Blogs existieren, so ist das wohl ein Ding der Unmöglichkeit. Und vielleicht bewahrt gerade dieser Umstand auch viele dieser Blogs davor in den Mainstream abzurutschen. Da findet man immer noch echte Perlen drunter.

Erstmal: sehr schöner Beitrag zur Blogs vs. Medien-Debatte, weil so unaufgeregt und undogmatisch.

Blogs sind immer noch, trotz “Professionalisierung” und Themenblogbildung, auf das Internet bezogen. Das ist nicht schlecht, versteht mich nicht falsch. Aber informiert wird man nicht. Dazu muss ich Spiegel online, Zeit Online, FAZ Online usw. aufsuchen.

Die geäußerte Kritik gilt imho aber nur in den Bereichen, in denen die großen von dir genannten Medien vertreten sind, also der Mainstream: News, Politik, Sport. Sobald du aber davon abrückst, lohnt es sich für einen großen medienbetrieb nciht mehr, Arbeit zu investieren und zu berichten, und dann schlägt die Stunde der Blogs. Ich erlebe das tagtäglich im Bereich meines Steckenpferds, des asiatischen und speziell japanischen Kinos. Es gibt ein paar Magazine zum Thema, die erscheinen aber zumeist nur monatlich und haben auch nicht die Möglichkeit, sich mit allen Aspekten zubeschäftigen. Alles weitere decken Blogs ab. Und auch wenn auch hier die Organisation unter den Bloggern noch fehlt, sind Themenblogs in eben diesen Nischen nicht zu schlagen.

@Jan: Nun ja… die Readers Edition ist ein Blogprojekt, dass viele Leute an einen Tisch holt… trotz allem hält sich deren Aufmerksamkeit in Grenzen, obwohl es sich um einen Zusammenschluss handelt.

Ich denke Klaus hat schon einige wichtige Punkte gesagt. Dem würd ich noch hinzufügen, dass vermutlich fast jeder Blogger seine Infos auch über Seiten wie Spiegel etc. bezieht, Blogger sind schließlich keine Newsportale.

Außer ev. eben spezifische Blogs, die sich halt mit Themen wie japanischen Kinofilmen beschäftigen – also Themen abseits des Mainstreams.

Die „Aufgabe“ der Blogger, wenn es denn so etwas gibt oder erwartet wird, sehe ich mehr darin, die Themen auszudiskutieren und darüber nachzudenken, bzw die Gedanken zu den Themen zu verbreiten und versuchen mit differenzierten Ansichten andere darauf aufmerksam machen, dass oft nicht alles so einfach genommen werden kann/soll, wie es oft scheint. Schöner Schachtelsatz :/

Nathilion sagt genau das Richtige – der entscheidene Unterschied zwischen einem Blog und einem Newsportal wie Spiegel Online ist der, das das Newsportal die Leute vor Ort hat und diese dann über aktuelle Ereignisse berichten. Ohne Newsportale wären auch die meisten Blogbetreiber (mich ausdrücklich eingeschlossen) aufgeschmissen, da sie nicht wissen würden worüber sie berichten sollten – zumindest gilt das für politische Blogs.

Ich kann nicht nach Berlin fahren, mir ne Bundestagsdebatte anschauen, dann noch kurz nach Sachsen zur Bankaffäre eiern, um dann weiter nach München zu fahren um Stoibers neueste Rede zu sezieren. Das ist genau der Punkt.

Aber da kommen wir auch schon zum Sinn von Blogs: sie dienen nicht in erster Linie zur Information, sondern zu Meinungsäußerung, -bildung, -austausch und ganz allgemein zur Diskussion – man könnte auch sagen: zur Vertiefung der Materie.